Dienstag, 8. Mai 2012

Die Piraten sind doof, aus drei Gründen:

Erstens: Sie verherrlichen Räuber und Mörder.
Zweitens: Sie verdienen ihr Geld mit Killerspielen.
Drittens: Sie bestehen fast nur aus Männern.

Meine Polemik gegen die Piratenpartei ist oberflächlich und ungerecht, das gebe ich zu. Aber es erscheint mir als Zeitverschwendung, ein Phänomen zu analysieren, das sich durch seine Organisationsform, seine Geschichte und seine Medien allen Analysen entzieht. Jede tiefgründige Analyse wäre schon am Tag ihrer Veröffentlichung veraltet. Es bleibt also letztlich nichts als die Oberfläche, um sich mit dem Phänomen auseinanderzusetzen.

Erstes Merkmal ihrer Oberfläche ist der Name: die Bezugnahme der »Piraten« auf Piraten. Piraten waren (und sind) Menschen, die andere Menschen während einer Schifffahrt ausgeraubt und auch oft ermordet haben. Piraten nutzen also skrupellos eine Situation aus, in der Menschen besonders gefährdet sind, und der einzige Zweck ihres Tuns ist die persönliche Bereicherung. Zwar haben Hollywood-Märchen wie »Der Rote Korsar« immer wieder versucht, Piraten zu romantisieren – aber warum sollte ich als historisch gebildeter und zur Empathie fähiger Mensch dieser Romantisierung folgen? Übrigens lässt das Piratenzeichen mit dem Totenkopf keinen Zweifel an den Zielen und Methoden dieser Leute. Hallo? Da regen sich welche über Abzocker im Parlament auf und wählen dann, um Abzocke und Korruption zu beenden, Räuber und Mörder ins Parlament?

So ganz an den Haaren herbeigezogen ist dieser Vergleich nicht, denn schließlich ist der aktuelle Name »Piraten« entstanden im Zusammenhang mit einer Strömung, die das hemmungslose Klauen von Musik, Filmen, Textideen und Computerprogrammen auf ihre Fahnen geschrieben hatte – die Internet-Piraterie. Dass die Kritik der Piratenpartei am anachronistischen Urheberrecht teilweise berechtigt ist, und dass kooperative, unentgeltlich funktionierende Projekte wie Open Source und Wikipedia wertvoll sind und möglicherweise Ansätze für neue gesellschaftliche Strukturen und Werteordnungen darstellen, lasse ich in meiner bewusst ungerechten Polemik beiseite.

Viele namhafte Piratenvertreter (oder soll ich hämisch „Piratenfunktionäre“ sagen?) verdienen ihr Geld offenbar mit dem Programmieren von Kriegs- und Mörderspielen, die die Kritiker meist (leicht verharmlosend) „Killerspiele“ nennen, die Befürworter (schwer verharmlosend) „Ego-Shooter“,  „Rollenspiele“ oder „Fantasy-Spiele“. Der wirtschaftspolitische Piratensprecher Pavel Mayer z. B. ist 3D-Programmierer von Beruf (Die Zeit 8.4.2012). Wer zahlt am meisten für solche Dienste? Die Hersteller von Kriegs- und Mörderspielen. Der kürzlich ausgeschiedene Bundesvorsitzende Sebastian Nerz alias tirsales trägt das unsympathische Lebensmotto "Geboren, um zu lärmen" vor sich her. Als Bioinformatik-Student in Tübingen engagierte er sich in der Ritterromanwelt des Pen&Paper-Rollenspiels »Das Schwarze Auge«; so Frank Drieschner und Khue Pham in der »Zeit« vom 26.4.2012. Ein wesentlicher Teil der sogenannten Bürgerrechte, die die Piratenpartei verteidigt, ist das angebliche Recht der Mitspieler von »World of Warcraft«, »Crysis« und der milliardenschweren Computerspiele-Industrie, schon die bloße Frage nach Zusammenhängen zwischen ihren Spielen und den Amokläufen von Erfurt, Winnenden, Lörrach und anderswo sofort per Shitstorm aus jeder wissenschaftlichen, politischen und publizistischen Debatte zu verbannen. Der angebliche Kampf gegen Zensur ist vor allem ein Kampf gegen jede unabhängige Kritik von außen.

Dass es in der Piratenpartei bislang kaum Frauen gibt, könnte sich einmal als der größte historische Unterschied zwischen Piraten und Grünen erweisen. Es ist auch eine der stärksten Parallelen zwischen Piratenpartei und FDP. Keine Frauen, das bedeutet schon heute: kein Platz für Pazifismus, kein Platz für Umwelt- und Naturschutz, kein Platz für sozial- und kulturpolitische Fragen. Dass die Piraten in den Medien als Erfinder der Basisdemokratie gepriesen werden, zeugt nur von ungenügender historischer Bildung der verantwortlichen Redakteure. Zur Erinnerung: »Die Grünen – ökologisch, sozial, basisdemokratisch, gewaltfrei« – so plakatierten die Grünen zur Bundestagswahl 1983. Dass das keine Phrasen-drescherei war, zeigt der jahrfünftelange selbstquälerische Kampf der Grünen um das Rotationsprinzip (automatisches Ausscheiden aller Abgeordneten nach zwei Jahren). Und wenn man heute die Tweets von tirsales (Sebastian Nerz) liest, dann gibt es dort keine Partei, auf die er so hasserfüllt draufhaut wie die Grünen.

Hintergründe:

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1 Kommentar:

  1. Zu Piraten allgemein:

    Angesichts der garstigen Worte von Toni Kalverbenden über alte und neue Piraten, denen ich gar nicht widersprechen will, möchte ich aber zumindest auf eine gute Tat von Piraten verweisen, die durch die einschlägige Literatur belegt ist. Demnach haben Zwergpiraten den kleinen Kapitän Blaubär, als dieses in frühester Kindheit hilflos in einer Walnussschale auf dem Ozean trieb, aus schwerer Seenot errettet und sich rührend um ihn gekümmert (Die 13 ½ Leben des Kapitän Blaubär). Somit ist erwiesen: Auch bei Piraten sind edle Taten nicht gänzlich ausgeschlossen.

    Zur aktuellen Piratenpartei:

    Eigentlich hielt ich die Wahlerfolge der Piraten für eine vorübergehende Erscheinung, geschuldet dem Umstand, dass das Publikum von den etablierten politischen Akteuren die Nase voll hat und irgendetwas Neues sehen will, dessen es ebenso schnell wieder überdrüssig wird. Diese traurige Erfahrung hat ja gerade die Linke bei den Landtagswahlen in Niedersachsen und NRW machen müssen.

    Wenn es stimmt, dass maßgebliche Teile der aktuellen Piratenpartei ihren Lebensunterhalt mit der Produktion von Killer- und anderen Spielen bestreiten, dazu kämen noch deren Nebenprodukte und der Vertrieb, öffnet Toni Kalverbenden, vielleicht ohne es ausdrücklich zu wollen, den Blick in eine Richtung, in die ich bisher noch nicht geschaut hatte. Das wachsende Heer der Programmierer und Tüftler im informellen Sektor der Freizeitindustrie mit all seinen Schattierungen zwischen Professionalität und Semiprofessionalität ist als soziale Basis alles andere als eine zu verachtende Größenordnung. Demnach wäre nicht auszuschließen, dass wir es bei den aktuellen Wahlergebnissen nicht mit einer vorübergehenden Laune des Souveräns zu tun haben, sondern mit Veränderungen an der ökonomischen Basis, die ihren politischen Ausdruck im Aufwind der Piratenpartei finden. Sollte diese Annahme zutreffen, dürften die Piraten, so unstet sie auch daherkommen, noch ziemlich lange mit frischer Brise segeln.

    Uwe

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